"Das komische Ding mit der Liebe" - Einführung


Sämtliche Inhalte sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Situationen sind zufällig.


Als die letzte Seite in ihrem neuen Lieblingsroman gelesen war, klappt sie das Buch zu, warf es an die andere Seite des Sofas und stand auf. Sie ging ins Arbeitszimmer und klappte den Laptop auf. Es begann zu surren, als sie die Hometaste drückte und bald schon erklang die süße Melodie von funktionierender Technik. Sie brauchte das jetzt. Das Liebesleben des Mädchens in dem beendeten Roman war kaputt und das brachte sie um den Verstand. Ein Liebesleben, war genau das, was sie gebraucht hätte. Ihres war so Tod, wie Kurt Cobain oder Amy Winehouse. Sie war selbstständig und tough, aber fühlte sich oft genug einsam. Sie war der Typ Frau, der nicht von einem Mann abhängig war und trotzdem sehnte sie sich nach einer starken Schulter. Ihr fehlte der Halt. Zu oft war sie ohne ihre Freundinnen, zu selten mit den Kollegen nach der Arbeit einen Trinken in der kleinen Bar am Parkrand. Sie zog sich zurück und tat sich somit selbst keinen Gefallen. Als der Computer vollständig hochgefahren war, öffnete sie das Programm, lockerte die Finger und begann zu tippen. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus und sie begann sich ihre neue eigene Welt zu erschaffen. Eine Welt, in der alles funktionierte. Sie bemerkte nicht, wie die Zeit verging, verdrängte jede Regung von Müdigkeit und tippte, bis ihr die Augen weh taten. „Verdammt.“, fluchte sie, speicherte und klappt den Bildschirm runter. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon fast elf war und sie dachte an die Arbeit im Büro morgen. Widerwillig führte sie sich den nicht enden wollenden Papierstapel auf dem Schreibtisch vor. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Igitt. Sie warf den Kopf in den Nacken und lief in die Küche. Dort standen neben der Spüle noch der dreckige Teller und die vielen benutzten Teetassen. Sie wusch ab und stellte das Geschirr zum Trocknen an den Rand der Spüle. Ein kleines schwarzes Fellknäuel lag auf einem der Stühle am Esstisch und schnurrte. Sie ging zu ihm und kraulte den kleinen schwarzen Kater hinter dem linken Ohr. Er streckte sich. Sie sah zum leeren Futternapf und lächelte. „Na hats geschmeckt, Kleiner? Alles auf einmal verschlungen?“ Er gähnte. Sein Atem roch nach altem Fisch. Sie setzte sich neben dem Stuhl auf den Boden und streichelte ihren kleinen Schatz. Er war der Einzige, der immer zu ihr hielt und immer da war. Ihre Probleme waren ihm sichtlich egal, aber es reichte schon, ihn zu streicheln und alles war gleich viel besser. Sie betrachtete den Kater und strich über den weißen Fleck an seiner Pfote. Wieder streckte er sich. Sie starrte auf den Boden. Er war verziert von Brotkrümeln und Katzenhaaren. Ich muss staubsaugen, dachte sie. Morgen. Noch ein Tag, dann war Wochenende. Sie hatte eine Verabredung mit Benny zum Essen am Samstag. Ein Wunder, dass er mal Zeit hat ohne seine liebe Jennifer. Die hing an ihm wie eine Klette. Hatte sie Angst, er würde sie verlassen, wenn er mit seiner Schwester essen geht? Damals war Benny ihr Halt gewesen, ihr Fels in der Brandung. Seit er in Hamburg lebt, sahen sie sich kaum noch. Sie liebte ihren Bruder, tut es bis heute. Nachdem ihr erster Freund sie verlassen hatte, war er ihr Retter in strahlender Rüstung. Er war der Inbegriff des großen Bruders. Er hatte was Besseres als Jennifer verdient. Jemanden, der in liebt, aber nicht bedrückt. Sie seufzte. Der Küchenboden war kalt. Sie verließ den Raum und ging ins Bad. Ihre Müdigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Tiefe Augenringe zierten ihr blasses Gesicht, ließen sie alt aussehen. Sie zog sich aus, warf ihre Kleidung in den Wäschekorb und schlüpfte in ihr übergroßes Shirt. Er reichte ihr gerade so über den Hintern. Sie sah damit aus, wie 16. Das fehlte ihr. Mit 25 war man nicht alt, aber seit ein paar Jahren, fühlte sie sich so. Kraftlos und ein bisschen verbittert. Sie putzte Zähne und ging dann ins Bett. Ihr felliger Begleiter sprang auf die Decke und legte sich zu ihren Füßen. Es fiel ihr schwer einzuschlafen, die vielen Gedanken in ihrem Kopf gaben keine Ruhe. Erst gegen Mitternacht schlief sie ein.
Als ihr verhasster Feind, der Wecker, ertönte knurrte sie. Sie streckte sich, schob die Decke zurück und schaltete das Monster am anderen Ende des Zimmers aus. Ihr kleiner Schatten war weg. Es miaute in der Küche. Eine Kundgabe von Hunger. „Komme!“, rief sie und rieb sich verschlafen sie Augen. Sie ging zum Fenster und öffnete es. Sie frische Priese ließ sie frösteln. Das Vogelzwitschern brachte sie zum lächeln. Der Frühling war schön.
Sie schlurfte in die Küche und kramte im Schrank nach dem Katzenfutter. Zwei ungeduldige Augen beobachteten sie. Sie wischte den Napf aus und füllte das Futter hinein. Kaum dass es auf dem Boden stand, war der Vielfraß schon zur Stelle. Er miaute noch einmal, was wie ein Danke! klang und steckte seinen Kopf in den Napf. Sie schaltete sie Kaffeemaschine an und lief barfuß ins Bad. Der Kleidung entledigt stieg sie unter die Dusche. Das warme Wasser lief ihren nackten Rücken herab. Wenn dieser Tag überstanden ist, mache ich drei Kreuze in den Kalender, dachte sie und wusch ihre Haare. Nach ein paar Minuten verließ sie die Dusche, das Wasser tropfte von ihren Haaren auf den Boden und ein nasser Film lag auf ihrer Haut. Sie trocknete sich ab und zog sich eine schwarze Jeans und eine T-Shirt an, bevor sie mit nassen Haaren in die Küche - zu ihrem geliebten Kaffee - tapste. Sie schaute auf die Uhr und nippte am Kaffee. In einer Stunde musste sie im Büro sein. Sie seufzte und stellte das Radio an. Billiger Plastik-Pop lief, bei dem ein Lied wie das Nächste klang. Schlechte Laune kam auf und das Radio wurde wieder zum Schweigen gebracht. Sie schluckte den letzten Rest des braunen Wundermittels hinunter und machte sich fertig. Die Haare wurden geföhnt, der Lidstrich gezogen und das T-Shirt gegen eine weiße Bluse getauscht.
„Ich bin dann weg!“, rief sie 7:40 Uhr in die Wohnung, bevor sie die Tür schloss und absperrte. Wenn sie mit dem Tier sprach, fühlte sie sich nicht ganz so allein. Sie kramte den Autoschlüssel aus der Tasche und lief die Treppen aus dem 4. Stock hinunter.
Das Büro war noch fast leer, nur einige wenige Mitarbeiter waren schon da, machten sich entweder an der Kaffeemaschine zu schaffen, sortierten fleißig Akten oder telefonierten. Sie setzte sich an ihren Tisch, stellte ihre Tasche neben sich und schaltete den PC an. Lilly kam und wünschte ihr einen guten Morgen. „Heute Abend gehen ein paar von uns zu Sami´s und wir wollten fragen, ob du nicht mitkommen willst.“, Lilly lächelte sie an, sie lächelte zurück und sprang über ihren Schatten. „Klar, gern.“, meinte sie. „Super Emma!“ Lilly ging wieder und in diesem Moment verkündete der PC stolz, dass er jetzt hochgefahren sei und bereit für die Arbeit.
Am Abend ging sie mit Essen, doch sie merkte, dass es ein Fehler war. Sie fühlte sich unwohl, beengt. Sie lauschte den Gesprächen eine Weile, beobachtete die Bewegungen ihrer Kollegen. Die hatten Spaß und lachten. Emma hielt sich zurück, war das graue Mäuschen. „Was hast du für Pläne, Emma?“, fragte Niko, ein großgewachsener schwarzhaariger Typ mit ordentlich Sexappeal. „Was?“, fragte sie. „Was hast du für Pläne am Wochenende?“
„Nichts besonderes.“, log sie. Er lächelte. Oh Gott, wie er lächelte. „Und das wäre? Ein Date? Ein Lover?“ Ihr Mund wurde trocken. Er schüchterte sie ein mit seiner selbstbewussten Art. „Nein. Ein Essen mit der Familie.“ Sie musste sich zusammenreißen. Was machte er nur so plötzlich mit ihr. Sie knetete ihre Finger. „Aha.“, meinte eine andere. Sie klang enttäuscht. Scheinbar war sie auf etwas Spektakuläreres aus gewesen. Sensationsgeil. Niko drehte sich von ihr weg. Die Unterhaltung schien beendet zu sein. Sie war wieder das Mauerblümchen.
   Auch während des Essens war sie still. Hörte wieder zu, anstatt zu sprechen. Sie hatte so ein Ziehen in der Brust, dass sie immer bekam, wenn sie sich unwohl fühlte. Es war erst weg, als sich alle verabschiedeten und Emma wieder in ihrer Wohnung war. Der Kater saß vorwurfsvoll im Flur und schaute böse. „Tut mir leid!“, sagte sie. „Du bekommst sofort etwas.“ Sie machte ihm das Futter fertig und schmiss sich dann auf die Couch. Ihre Gedanken schweiften zu Niko. Sie hatte ihn nie groß wahrgenommen. Sie haben nie groß miteinander gesprochen. Das war dann mehr so ein Hast-du-noch-Büroklammern-Gespräch. Wieder zog sich da etwas in ihrer Brust zusammen. Verdammt. Sie rieb sich die Stelle. Als sie schnell auf die Uhr sah, war es kurz nach acht. Es zerrte sie wieder an den Laptop. Doch bevor sie das tat, stellte sie den Wasserkocher an und schlüpfte in bequeme Kleidung und warme Socken. Wieder in der Küche goss sie das heiße Wasser über einen Teebeutel mit Früchteteemischung in eine große Tasse. Sie nahm diese und roch daran. Es erinnerte sie an Sommer und Erdbeerkuchen essen mit Oma. Ein bisschen glücklicher ging sie in ihr Schlafzimmer und stellte die Tasse dort auf den Nachttisch. Dann holte sie noch den Laptop aus dem Arbeitszimmer und machte es sich im Bett gemütlich. Sie öffnete das Programm und las sich die letzten Zeilen durch. Er klang ein bisschen nach kitschig romantischer Liebesgeschichte für notdürftige Frauen. „[…] Er nahm ihre Hand und küsste diese. Sie lächelte ihn verlegen an und trat näher an ihn heran. Ihre Hand ruhte auf seiner muskulösen Brust und ihr wurde heiß.“ Emma löschte die letzte halbe Seite und begann von vorn. Würde das jemand Fremdes lesen und wäre es nur Benny, würde sie vor Scham im Boden versinken. Hatte sie es so nötig einen Mann zu finden mit dem sie …? Sie schüttelte innerlich den Kopf. Sie kam gut allein klar. Und wenn sie sich doch einsam fühlte, dann hat sie noch ihren kleinen flauschigen Dickkopf. Vielleicht sollte sie aufhören, sich so viele Gedanken zu machen. Wenn es einen Richtigen, den Richtigen, für sie gab, dann würde der schon irgendwann auftauchen. Früher oder später. Ihre Inspiration war weg. Sie speicherte und legte den Laptop beiseite. Der Tee war abgekühlt und sie nippte daran. Sie atmete tief durch. Es war halb neun und sie wollte noch nicht schlafen. Das Bücherregal gegenüber vom Bett lachte sie an. Wiederwillig schob sie Decke weg und fröstelte. Von oben bis unten ging sie das Regal durch und zog eines heraus, was sie zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Sie wusste nicht, worum es ging, aber der Titel „Wolke sieben“ klang kitschig as fuck und nach Liebe. Sie schlug es - wieder zurück im Bett - auf und begann zu lesen.

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